Der Mannschaftskampf Weidenau-Geisweid I – Bergische Schachfreunde I vom 07.11.2021, ein Bericht von Mannschaftsführer Oswald Gutt

 

Endlich war es wieder so weit: Die Mannschaftssaison in der NRW-Klasse startete am 7. November für unsere 1. Mannschaft mit einem Auswärtsspiel im Siegener Ortsteil Geisweid, wo wir unseren letzten Wettkampf vor dem Corona-bedingten Abbruch 2020 ausgetragen hatten. Wir hatten dieses Match seinerzeit verloren und mussten in die (erfolgreich absolvierten) Stichkämpfe. Es galt also, etwas gutzumachen, aber die Vorzeichen waren nicht rosig.

Gleich drei Stammspieler standen nicht zur Verfügung, und erst zwei Tage (!) vor dem Wettkampf hatte ich meine Truppe beisammen. Mein Bruder Stefan Gutt aus der zweiten, sowie Joachim Metzing und Thomas Kremer aus der dritten Mannschaft waren bereit, uns zu helfen.

So ging es morgens um 09:30 Uhr bei miesem Herbstwetter, aber gut gelaunt nach Siegen im Mannschaftsbus, den Stefan Bosbach als Chauffeur wieder organisiert hatte (toller Service!).

Beim Blick auf die Mannschaftsaufstellung des Gegners war klar, dass dieser sich viel vorgenommen hatte, denn die Geisweider traten mit allen Stammspielern von Brett 1 bis 8 an!

Der Wettkampf gestaltete sich jedoch zu Beginn recht ausgeglichen. In der ersten Stunde konnte noch keine Partei einen signifikanten Vorteil verbuchen. Beim Blick auf unser 8. Brett kamen mir aber leise Zweifel, denn Thomas Kremer hatte sich für die Holländische Verteidigung entschieden, was im Prinzip o.k. ist, bei mir jedoch ein (subjektives) Unbehagen hervorruft, da dieser Aufbau immer mit einem positionellen Risiko verbunden ist. Doch zu unserer großen Überraschung wurde dort plötzlich remis vereinbart! Offenbar hatte Thomas alles im Griff und bescherte uns mit diebischer Freude einen wichtigen halben Punkt mit Schwarz.

Bis zur nächsten Entscheidung dauerte es noch eine Weile, daher erst mal ein Überblick über die weiteren Partien:

Stefan Bosbach knüpfte in seiner Eröffnungswahl an unseren letzten Stichkampf gegen Bonn an, als er mit Erfolg die Reti-Eröffnung wählte, und auch jetzt kam er recht gut ins Spiel.

Am 2. Brett gab es für Manfred Harringer einen Englisch-Reti-Katalanischen-Cocktail, wo noch nicht absehbar war, wem dieser Drink besser munden würde.

Philipp Gelsok hatte sich am 3. Brett für eine Art Panow-Variante (Caro-Kann) entschieden, Abschätzung: unklar bis leichter Vorteil für uns.

Ein Kuriosum ergab sich für Harm-Wulf Thelen mit den schwarzen Steinen am 4. Brett: Bis zum 12. Zug hatte er die gleiche Stellung auf dem Brett wie zwei Tage zuvor bei der Vereinsmeisterschaft. Er hatte diese königsindische Partie gewonnen, und so ging er mit unverkennbarem Optimismus an diese weitere Aufgabe.

Ich selbst erreichte am 5. Brett mit Weiß eine Position im Damengambit, die in den 80er Jahren als „Anti-Tartakower-Variante“ populär war. Weiß tauscht auf f6 seinen Läufer gegen den Springer, erzielt dafür aber gewisse Initiative im Zentrum (s. hierzu die Matches der beiden „großen Ks“, Kasparow und Karpow in den 80ern). Im weiteren Verlauf mutierte das Spiel zu einer Abtauschvariante, in welcher mein Gegner einen positionellen Fehler beging, der zu Bauernverlust führte und auch meinen Optimismus beförderte.

Mein Bruder traf auf den denselben Gegner wie im Vorjahr, seinerzeit endete ihre Partie remis. Stefan zeigte sich heuer kämpferisch und beantwortete dessen Damenindisch im Anzug mit der langen schwarzen Rochade, ungewöhnlich und schwer abzuschätzen.

Joachim Metzing, der beim entscheidenden Stichkampf im Juli gegen Stadtverwaltung Bonn einen wichtigen halben Punkt beigesteuert hatte, entschied sich in der Eröffnung für die Spanische Abtauschvariante in einer Form, wie sie der ehemalige Weltmeister Emmanuel Lasker vor dem Ersten Weltkrieg anwandte! Na dann, schaun mer mal!

Die Entscheidungen:

Harm-Wulf zog mit gutem Vertrauen „seine Königsindische“ durch. Er entwickelte Initiative am Königsflügel, erzielte durch ein geschicktes Manöver Materialvorteil und zwang seinen Gegner bald zur Aufgabe, 1,5 : 0,5 für BSF.

 

Mein Bruder hatte mittlerweile eine Gewinnstellung durch couragiertes Spiel erreicht. Aber die Zeitnot machte ihm einen Strich durch die Rechnung! Nach und nach verflüchtigte sich sein Vorteil, weil ihn die knappe Zeit nicht die richtigen Fortsetzungen finden ließ. Hinzu kam, dass sein trickreich agierender Gegner immer wieder gezielte Nadelstiche setzte und die Partie drehen konnte, somit stand es bald 1,5 : 1,5.

Philipp hatte sich derweil einen Mehrbauern erarbeitet, doch dieses Plus war im entstandenen Endspiel kaum zu realisieren, zumal es sich um einen Doppelbauern handelte. Das Remis war folgerichtig, also 2 : 2

Wenn ich einem Spieler meines Vereins einen „Methodik-Preis“ zusprechen wollte, wäre Manfred Harringer sicher ein heißer Kandidat. Man spürt, wie der gelernte Mathematiker die Stellungen seziert und dann daraus die richtige Essenz zieht.  Offenbar hatte er in einer aus meiner Sicht ausgeglichen Partie genauer gerechnet, eine Figur gewonnen und diesen Vorteil sicher verwertet, Spielstand 3 : 2 für BSF.

 

Und dann kam Lasker, ähem pardon, natürlich Joachim! In beeindruckender Manier hielt er mit seinen Springern den offensiven Bemühungen seines Gegenübers stand, bis dieser sich ausgetobt hatte. Dann kam die Stunde der Schimmel, die sich ans Verspeisen der Bauern machen konnten. Ein toller Sieg, ein Happy-Joachim und vielleicht auch ein erfreuter Lasker von Wolke Sieben, 4 : 2 für BSF!

Nun spielten nur noch Stefan an Brett 1 und meine Wenigkeit an 5. Mein Materialvorteil in Form eines Mehrbauern hatte sich bis in das Endspiel Turm und Springer gegen Turm und Läufer erhalten. Doch beim Stand von 4 : 2 zögerte ich nicht lange, das Remis anzubieten, um den Mannschaftssieg abzusichern, nach erfolgter Annahme stand es somit 4,5 : 2,5, und unser Sieg war unter Dach und Fach.

Stefan am ersten Brett hatte bis zum Ende verbissen um den Sieg gerungen. Unter großer Anspannung für beide Protagonisten übersah Stefan einen Figurengewinn, der Gegner drehte die Partie noch, Endstand 4,5 : 3,5 für BSF, der durchaus auch höher für uns hätte ausfallen können, aber gewonnen ist gewonnen!

Oswald Gutt

Mannschaftsführer I. Mannschaft der Bergischen Schachfreunde

Bergisch Gladbach, 15.11.2021